Psychoanalytisch begründete Psychotherapieverfahren

Die Psychoanalyse ist die Wissenschaft mit der längsten psychotherapeutischen Tradition.

Sie geht davon aus, dass Erleben, Wahrnehmen und Handeln zum großen Teil unbewusst motiviert sind, d.h. dem Bewusstsein nicht zugänglich sind.

Zum Unbewussten treffen Wünsche/Bedürfnisse/Triebe/ (das Es) auf Regeln/Grenzen/Verbote/Idealvorstellungen (das Überich). Das führt zu Konflikten.
Die diplomatische Instanz zwischen beiden Seiten ist das vermittelnde „Ich“, das entscheidet, wie viel Einfluss die jeweilige Instanz (Es oder Überich) auf das Erleben und Handeln haben darf, also „wer gewinnt“. Alles, was nicht passt wird durch verschiedene Mechanismen abgewehrt.

Das ist gut so und erleichtert das Leben, wenn es funktioniert. Bsp.: Wer Ärger mit seinem Chef hat, bringt ihn nicht gleich um, sondern drückt diesen Ärger vielleicht mit einem ironischen Lied auf der nächsten Betriebsfeier aus.
Wenn das aber nicht funktioniert, findet der Vermittler, das „Ich“, einen Kompromiss in einem Symptom oder einer seelischen Erkrankung.
Die können sich ganz unterschiedlich darstellen, z.B.:

  • in psychosomatischen Beschwerden (Rückenschmerzen, Magenbeschwerden, „die Galle
  • läuft über“ oder „es geht einem an die Nieren“ oder seelisches Leid wird erlebt als
  • körperliches Leiden),
  • in zwischenmenschlichen Konflikten (z.B. auf der Arbeit oder in der Partnerschaft),
  • in einer eingeschränkten Fähigkeit zu genießen,
  • verminderter Arbeitsfähigkeit,
  • eingeschränkter Belastungsfähigkeit,
  • Depressionen,
  • Suchterkrankungen,
  • Essstörungen,
  • sexuellen Funktionsstörungen
  • und vielen anderen mehr.

Während der Entwicklung des Kindes werden bestimmte Entwicklungsaufgaben gut/ausreichend/schlecht oder gar nicht gelöst, abhängig von den Ausgangsbedingungen und der ersten Bezugsperson. Das hat seelischen Einfluss auf das ganze Leben und macht die Individualität des Einzelnen aus. Bsp.: Ein verwöhntes Einzelkind wird es schwerer haben mit Konkurrenz im Berufsleben, weil es nicht gelernt hat, mit Konkurrenz und Rivalität umzugehen. Dagegen wird ein Kind in einer Geschwisternähe es eher akzeptieren, sich etwas erarbeiten oder erkämpfen zu müssen und vielleicht Möglichkeiten übersehen, wo ihm etwas geschenkt wird.

Die Individualität, der Charakter des Einzelnen kann so entwickelt sein, dass – von Anfang an – die Person an sich oder an den Anforderungen des Lebens leidet oder scheitert, da liegt das Problem in den Persönlichkeitsstrukturen.

Es kann aber auch so sein, dass ein Mensch ohne inneres Leid und ohne erheblich anzuecken durch ein plötzliches Ereignis oder eine neue Situation nicht mehr funktioniert. Bsp.: Verlust des Partners durch Trennung oder Verlust der Kinder, die aus dem Haus gehen, führen zu Depressionen; Verlust des Arbeitsplatzes oder massive Kränkung führen zu Selbstmordgedanken; Angst vor den eigenen sexuellen Wünschen führt zu Zwangshandlungen.
Die psychoanalytische Therapie ist ausgerichtet auf Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur, unter der der kranke Mensch leidet. Sie findet im Liegen auf der Couch statt, 2 – 4 mal/Woche über 200 – 300 Sitzungen. Es geht darum, Unbewusstes bewusst zu machen und der Kontrolle oder der Gestaltung des Ichs zuzuführen, was zu neuen Lösungen führt, die die alten krankmachenden Symptome erübrigen.

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist eher auf einen aktuellen Konflikt ausgerichtet, der zur Erkrankung geführt hat. Bezogen auf dieses Persönlichkeitssegment soll die unbewusste Motivation, die mit dem aktuellen Ereignis zu dem Kompromiss des jeweiligen Symptoms geführt hat, verstanden werden, das Symptom kann aufgegeben werden.
Diese Therapie findet im Gegenübersitzen statt, 1 mal/Woche über 50 – 100 Sitzungen. Als Krisenintervention bei sehr belastenden Auslösern ist auch eine Kurzzeitpsychotherapie mit 25 Sitzungen möglich.

Neben den genannten psychoanalytischen Verfahren gibt es noch weitere bewährte Anwendungen der Psychoanalyse, die aber von den Krankenkassen nicht finanziert werden; z.B. Familientherapie, Paartherapie, Anwendungen in Kunst- und Gestaltungstherapie.
Darüber hinaus wird Psychoanalyse auch dazu benutzt, gesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen, Organisationsprozesse zu verstehen und zu optimieren (z.B. in Firmen), politische Entwicklungen nachvollziehen zu können, Gruppenprozesse zu verstehen und Zugang zur Kunst zu bekommen.
Da überall unbewusste Motivation eine größere Rolle spielt als bewusste Planung und bewusstes Handeln, ist die Psychoanalyse als Wissenschaft spätestens dann gefragt, wenn es Schwierigkeiten gibt.

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